Rules – die Verlängerung

Eine Sportveranstaltung und zugleich performative Installation von beinahe beliebiger Dauer. Das Team She She Pop tritt gegen sich selbst an. Das Spiel selbst heißt Rules und stammt aus der gleichnamigen Performance von 2001. Seine Passregeln sind metaphorisch zwingend, spielerisch aber maximal komplex. Für einen erfolgreichen Spielzug müssen sich die Spieler*innen perfekt organisieren; jede abgenutzte Pathosformel und jeder herzergreifende Song ist ihnen recht, um alle auf die gemeinsame Sache einzuschwören. Mit wachsender Expertise des Publikums beginnen She She Pop, neue Mitspieler*innen aus den Fankurven zu rekrutieren und gegen erschöpfte Teamkolleg*innen einzuwechseln.

Credits

Konzept: She She Pop.
Mit: Sebastian Bark, Johanna Freiburg, Fanni Halmburger, Lisa Lucassen, Mieke Matzke, Katharina Oberlik und Ilia Papatheodorou.

Eine Koproduktion mit transeuropa Festival, Hildesheim.

Premiere, Juni 2003, transeuropa Festival Uraufführung der Theaterfassung unter dem Titel „SHE SHE POP: RULES (Mach Dein eigenes Spiel)“: 10. Mai 2001, Festival reich und berühmt, Podewil, Berlin, Hildesheim

Trailer

Termine


Vergangene Termine:
1. Juli 2006, PACT Zollverein, Essen
18. September 2004, Kampnagel, Hamburg
3., 7. April 2004, Kampnagel, Hamburg
19. Juni 2003, Kunstverein, Hamburg
15. Juni 2003, transeuropa Festival, Hildesheim

Pressestimmen

She She Pop hat sich in ein Footballteam verwandelt. Die Girl Gang spielt mit den Versatzstücken des Machosports, ein Fall angewandter gender theory.
Peter Laudenbach im Tagesspiegel, 14. Mai 2001

… zwar ist ‚RULES‘ als ein Crossover von Sport, Arbeitspsychologie, Pop und Geschlechterverwirrung sehr komisch, aber es weist eben auch die tragischen Elemente auf, die Theater erst zum Erlebnis, vielleicht sogar zur Kunst werden lässt.
Tom Mustroph in Theater der Zeit, Juni 2001

Dann drängt sich plötzlich der Vergleich mit dem Leben an sich auf: Mit dem Siegenwollen, mit dem Aufeinander-angewiesen-Sein, mit dem immer-wieder-von-vorn-Anfangen inklusive der Erkenntnis, dass man sich am besten seine Regeln selber macht, um erfolgreich zu sein.
Hildesheimer Allgemeine Zeitung, 17. Juni 2003

Die Extremspielerinnen
She She Pop beim Berliner Performance-Festival „reich & berühmt“
„Das bringt nichts! Wir brauchen eine neue Taktik“, rufen die Performerinnen in den dunklen Zuschauerraum. „Keine Panik! Das wird schon!“ Auf der Suche nach einer neuen Taktik – oder auch nur einer neuen ästhetik – irren sie über die Bühne und durch die Reihen der Zuschauer: „Entschuldigung, ich glaube, Sie sitzen im Spielfeld“. Schließlich trägt „Rules“, das neue Stück, im Untertitel eine deutliche Aufforderung: „Mach dein eigenes Spiel“. Ob das politisch, persönlich, sexuell oder doch eher künstlerisch gemeint ist, bleibt gezielt unklar – geht es doch gerade darum, die Grenzen zwischen diesen Begriffen zu verwischen: „Wir sind politisch und sexuell anders denkend“, um es mit der Band Blumfeld zu sagen.
Die Uraufführung von „Rules“ ist ein ziemlich lustiger Höhepunkt von „reich & berühmt“ – und ein Stück, das , wie immer bei She She Pop, entspannt mit der Selbstreferenz spielt. Die postfeministische Gruppe ist in den letzten Jahren zu einigem Ruhm gekommen, also fragt ein Sportreporter zu Beginn der Aufführung, ob der Mannschaft heute ein Comeback gelingen wird: „Müssen sie ihre Strategie ändern?“ überhaupt wird das Geschehen gerne ausführlich kommentiert wobei der Kommentar dazu neigt, in ein zielloses Selbstgespräch zu entgleiten: „Wie soll’s denn jetzt weitergehen?“ Wer das wüsste!
Die Versuchsanordnung ist so simpel wie robust: She She Pop hat sich in ein Footballteam verwandelt. Die Girl Gang spielt mit den Versatzstücken des Machosports, ein Fall angewandter gender theory (Und vielleicht eine Hommage an die in der Stadt weilende Judith Butler). Dabei müssen “die Gunst des Publikums³ in Form einer Plastiktüte, die „Repräsentation“ (ein Cheerleader-Puschel) und „das Wasser der Kritik“ (eine Wasserflasche) über das Spielfeld bewegt werden – ein klarer Fall für Extremspielerinnen. So lustig kann das Crossover von Pop und Theorie, Selbstreferenz und gender trouble sein.
Peter Laudenbach, Tagesspiegel, 14. Mai 2001

Endlich wieder uncool
Das Berliner Performance-Festival „reich & berühmt“
(…) Immerhin zwei Produktionen nahmen das Publikum noch als nicht nur denkenden, sondern auch emotionalen Resonanzkörper ernst. (…)
Auf eine ähnliche Weise lieferten sich die Spielerinnen von She She Pop der betrachtenden Meute aus. In lächerlich anmutender Kampfkleidung – einer Kreuzung aus Football-Uniformen und „Star Wars“-Kostümen – warfen sie sich in ein finales Spiel.
Vordergründig handelt es sich bei „Rules“ um eine Sportveranstaltung. Die Konstellation der alternden Profitruppe ist jedoch auf andere Gruppen übertragbar. Das große Ziel, hier der Kwan, weckt in jedem, der einmal wirklich etwas wollte, die Erinnerung daran – gleich ob es eine Geschäftsidee, ein Buch, ein Film, eine Erfindung ist. Manchen Gruppenmitgliedren – auch das kennt man – ist der Sinn ihrer Tätigkeit abhanden gekommen, doch Gewohnheit und mangelnde Alternativen halten sie bei der Stange. Die Gruppe wird zur Parabel für eine Gesellschaft, in der der Einzelne seine Interessen mit den kollektiven in Einklang bringen muss – nicht einvernehmlich, sondern per Kampf. Selbstgestellte Regeln zähmen die erbarmungslose Auseinandersetzung, sie zwingen zur Kooperation. Absurde Teildisziplinen werden ausgeführt: die „Gunst des Publikums“ (eine Plastiktüte) in der Luft gehalten oder das „Wasser der Kritik“ (eine Wasserflasche) über das Spielfeld bewegt.
Die Distanz zwischen She She Pop als postfeministischer Performancetruppe und dem kommerziellen Machosport American Football ist offensichtlich. Anders als andere Performer (etwa showcase beat le mot bei der Tennis-Parodie „Grand Slam“ oder auch She She Pop selbst bei ihrer Table Dance-Simulation „Trust!“) ist diese Distanz jedoch nicht vordergründig ironisch. Die Spielerinnen bleiben nicht cool, haben nicht die Chance aus ihren Rollen auszusteigen und Niederlagen an sich abperlen zu lassen. Sie sind den Gesetzen des Spiels ausgeliefert; zwar ist „Rules“ als ein Crossover von Sport, Arbeitspsychologie, Pop und Geschlechterverwirrung sehr komisch, aber es weist eben auch die tragischen Elemente auf, die Theater erst zum Erlebnis, vielleicht sogar zur Kunst werden lässt.
Tom Mustroph, Theater der Zeit, Juni 2001

Wer die Regeln kennt
Live-Art-Installation „Rules“ bei „transeuropa“
HILDESHEIM. Wenn die Gunst des Publikums am Boden liegt, ist das Spiel zu Ende. Und wenn das Feuer der Inspiration erlischt, dann heißt es ebenfalls: zurück an den Anfang. Wenn aber die Last der Verantwortung gepaart wird mit Bestätigung, Vertrauen und Kritik, dann kann sich nicht nur jeder Manager, sondern auch jeder Trainer beruhigt auf die Schulter klopfen: gewonnen. Sportler und Mensch haben das Ziel – in diesem Fall die Homebase – erreicht.
So lauten die Regeln, die „Rules“, die die Berliner Performance-Gruppe „She She Pop“ zum Theaterfestival „transeuropa“ wieder einmal ausprobiert. In der „Verlängerung“ müssen die sechs Akteure sich immer wieder aufs Spielfeld begeben, um in neuen Aufstellungen und mit neuer Taktik der Zeit einen Sieg abzuringen.
Und was auf den ersten Blick so spielerisch, so lustig und bunt erscheint, bekommt bei längerem Hinsehen immer mehr Sinn. Und Ziet hat man – im Gegensatz zu den Akteuren – vier Stunden lang, wenn man will. In einer Zeitschleife werden die vier Spieler mit jeweils vier der zwölf Spielelemente immer wieder 15 Minuten lang versuche, Punkte zu machen, indem sie zusammenhalten, Krisen vermeiden, Kontrolle erlangen.
Die Wände der Eintracht-Tennishalle sind zugepflastert mit den Regeln und den dazugehörigen Spielelementen: eine Plastiktüte als Gunst des Publikums, die pustend in der Luft gehalten werden muss, ein Deckel als Kuss der Bestätigung, der Mund zu Mund weitergegeben werden muss, der Umhang für die Repräsentation, die nicht überholt werden darf, oder das Wasser der Kritik, das ausgetrunken werden muss.
Ein absolut ausgeklügeltes System, in dessen Spielverlauf plötzlich und unverhofft auch Sonderpunkte gemacht werden können: Wenn man zum Beispiel die 555-Abulalo-Base anläuft und Entertainment anbietet, um Fehler zu überspielen. Das schwankt auf den ersten Blick zwischen witzig und albern, ist richtig spannend und gewinnt, je länger man zuschaut. Dann drängt sich plötzlich der Vergleich mit dem Leben an sich auf: Mit dem Siegenwollen, mit dem Aufeinander-angewiesen-Sein, mit dem immer-wieder-von-vorn-Anfangen inklusive der Erkenntnis, dass man sich am besten seine Regeln selber macht, um erfolgreich zu sein.
Zusätzlich theatralisch gewürzt wird das Spektakel durch die Live-Atmosphäre am Spielfeldrand: Da gibt es Publikumsgegröle, eine Riesenleinwand mit übertragung aus der Kabine, wo über der Aufstellung gebrütet wird, Live-Interviews mit Trainern und Spielern und die gekonnte Moderation des Spektakels. Und alles wirkt absolut authentisch und ungekünstelt. Sicher, hier wird nichts dem Zufall überlassen, ist nichts improvisiert oder aus der Situation heraus geboren. Das ist durch gestyltes Theater, am Rande zum Klamauk. Auf der anderen Seite aber ebenso witzig wie wortgewandt, sportlich wie ästhetisch, tiefsinnig wie theatralisch.
Was „She She Pop“ allerdings vom wirklichen Leben und Sportgeschehen total unterscheidet: Es gibt keinen Gewinner. Das Spiel wird nur um des Spieles willen gespielt. Und natürlich wegen seiner Regeln. Man sollte eben nicht über die Messlatte des Erfolgs stolpern…
Hildesheimer Allgemeine Zeitung, 17. Juni 2003