Hexploitation

Foto: Dorothea Tuch
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Foto: Paula Reissig
Foto: Paul Holdsworth
Foto: Gernot Wöltjen
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1962 erschien der Film Whatever Happened to Baby Jane in den Kinos. Der psychologische Horrorthriller über zwei alternde weibliche Filmstars wurde zu einem überraschende Erfolg und begründete ein ganz neues Film-Genre: den sogenannten Psycho Biddy– oder Hagsploitation-Film. Die Film-Diva tritt in studierter Pose vor den Spiegel, sie sieht ihr gealtertes Gesicht als Zerrbild ihrer selbst und bricht darüber in einen grauenerregenden Schrei aus. Ein Bild, das zur Ikone geworden ist.

Dieses Jahr werden die Mitglieder von She She Pop alle um die 50 Jahre alt sein. Und so beschäftigen sie sich in Hexploitation mit der Angst vor der hag, der alten Frau und der Hexe. Dafür setzen die Performerinnen selbstverständlich ihre alternden Körper ein. Mit ihnen kämpfen sie gegen das Verschwinden und den Bedeutungsverlust, den Frauen jenseits der Gebärfähigkeit als gesellschaftliche Subjekte erleiden. Bis heute dient die Bezeichnung ‚Hexe‘ dazu, Frauen zu disziplinieren oder sie sozial herabzusetzen. Die Hexe, die anarchische, häretische Frau, steht für unproduktive Sexualität und für allgemein deviantes Verhalten gegenüber Machtstrukturen und Autoritäten.

In Hexploitation sperren She She Pop sich und ihr Publikum in einen Bühnenraum als düster-kitschiges Film-Set, aus dem es kein Entrinnen gibt. Die Live-Kamera dient ihnen als Vergrößerungsspiegel und intimes Untersuchungsinstrument. Mit ihrer Hilfe erforschen She She Pop als alternde psycho biddies eigene verstörende Makel und Obsessionen, sie spüren Tabus nach und untersuchen tradierte Hexendarstellungen. Dabei entdecken sie die Kamera auch als Zauberkasten, durch den sich der eigene Körper transzendieren lässt, um mit melodramatischem Ekel und komischer Lust immer neue befreiende Selbstbilder zu schaffen: „Mr. DeMille, I’m ready for my close-up!“ (Norma Desmond in Sunset Boulevard, 1950).

Credits

Von und mit: Sebastian Bark, Johanna Freiburg, Fanni Halmburger, Lisa Lucassen, Mieke Matzke, Ilia Papatheodorou, Berit Stumpf.

Musik: Santiago Blaum, Director of Photography & Video Installation: Benjamin Krieg, Bühne: Sandra Fox, Kostüme: Lea Søvsø, Mitarbeit Kostüm: Lili Hillerich und Mads Dinesen, Künstlerische und dramaturgische Mitarbeit: Laia Ribera Cañénguez, Sounddesign: Manuel Horstmann, Licht: Michael Lentner, Technische Leitung: Sven Nichterlein, Video Assistenz: Daniela Garcia del Pomar, Feinmechanik Kamerasteuerung: Thilo Gödel, Embedded Software Ingenieur – Kamerasteuerung: Grzegorz Zajac, Hospitanz: Carolin Bodensteiner, Rodrigo Zorzanelli Cavalcanti, Produktionsleitung: Valeria Germain, PR, Kommunikation: ehrliche arbeit – freies Kulturbüro, Freie Mitarbeit Kommunikation: Tina Ebert, Finanzadministration: Aminata Oelßner, Company Management: Elke Weber.

Dank an: Veronica Dyas (Dublin), Claudia Opitz (Basel), Eva von Redecker (Berlin), Takako Shibata (Tokyo).

Eine Produktion von She She Pop in Koproduktion mit HAU Hebbel am Ufer Berlin, Kampnagel Hamburg, Künstler*innenhaus Mousonturm, FFT Düsseldorf, Residenz Schauspiel Leipzig, HELLERAU – Europäisches Zentrum der Künste, Kaserne Basel und Festival delle Colline Torinesi Turin / TPE – Teatro Piemonte Europa.

Gefördert durch die Kulturstiftung des Bundes und die Berliner Senatsverwaltung für Kultur und Europa.

Trailer

Termine


Vergangene Termine:
05., 06., 07. Mai 2023, HAU, Berlin
25., 26. Oktober 2022, Festival delle Colline Torinesi, Turin
01. Oktober 2022, Festival Politik im freien Theater, Frankfurt am Main
30. September 2022, Festival Politik im freien Theater, Frankfurt am Main
26., 27., 28., 29. Mai 2022, HAU, Berlin
18., 19. Februar 2022, Europäisches Zentrum der Künste Hellerau, Dresden
07., 08., 09. Februar 2022, Residenz Schauspiel Leipzig, Leipzig
10., 11., 12. Dezember 2021, FFT, Düsseldorf
26., 27. November 2021, Europäisches Zentrum der Künste Hellerau, Dresden CANCELLED
14., 15., 16., 17. Juli 2021, Mousonturm im Frankfurt LAB, Frankfurt am Main
17., 18. Juni 2021, Kaserne Basel, Basel
29., 30. Januar 2021, Europäisches Zentrum der Künste Hellerau, Dresden CANCELLED
01. November 2020, Kampnagel, Hamburg
30., 31. Oktober 2020, Kampnagel, Hamburg
20., 22., 23., 24. September 2020, HAU, Berlin
19. September 2020, HAU, Berlin

Pressestimmen

„(…)Wie im Selbsterfahrungskurs als quasi frisch Pubertierende sitzen nun vier der She She Pop-Mitglieder (bei der Premiere Johanna Freiburg, Berit Stumpf, Mieke Matzke, Sebastian Bark) halbnackt auf der Bühne, betrachten mit Spiegeln ihre Geschlechtsteile – der Zeitpunkt ist reif, sich mal wieder gründlich den eigenen Körper anzuschauen, das eröffnet sich hier von Anfang an und hat etwas hinreißend Intimes jenseits jeder Peinlichkeit. (…)
(…) Alles soll sichtbar sein. Es geht ums dünner und dicker werden, um Altersflecken, Stirnfalten, Bauchfett oder Menstruationsblut. Eine selbstironische körperliche Bestandsaufnahme legen die Performer*innen vor, die sich am Ende in eine großartige Pop-Show verwandelt. (…)
(…) In einer der schönsten Szenen werden einzelne gefilmte Körperteile auf der Videoleinwand verfremdet zusammengesetzt. So wird ein Kopf zum Unterleib oder krabbelt Sebastian Bark wie bei einer Geburt aus einer Scham heraus. Es sind herrlich selbstironische Geschlechter-Bilder, eine filmische Transformation, die austeilt und ironisiert in alle Richtungen. (…)“
Simone Kaempf, nachtkritik, 19.09.2020

„(…) Nicht nur Falten und Bauchspeck werden gezeigt, auch die weibliche Scham wird in Großaufnahmen an die Bühnenwand projiziert und immer wieder furios verfremdet. Körperteile und Gesichter verbinden sich, während über die Geschichte der Hexenverfolgung gesprochen wird oder die Performerinnen über Menstruation diskutieren, den Frauenkörper im Kapitalismus und körperliche Selbstwahrnehmung. „Sind das die Scheinwerfer oder erlebe ich eine Hitzewallung?“, fragt Berit Stumpf einmal. Der gerade einmal siebzigminütige Abend ist eine postdramatische Tour de Force, freudvoll, witzig und kampfeslustig. (..) Die Wirkung ist elektrisierend, das Publikum beglückt, gestärkt, verhext.“
André Mumot, Deutschlandfunk Kultur, 19.09.2020

„(…) Dass das weder pornographisch wirkt, noch provokant, sondern wie ein natürlicher Teil einer intimen Recherche, liegt am augenzwinkernden Spiel der Gruppe. Nicht ans diesem Abend ist verkrampft oder ausgestellt. (…) (…) der Abend gleicht einer höchst selbstironischen Mischung aus Horrorfilm und Hexenküche.(…) Es ist (..) [die] Intimität, die Unaufgeregtheit und der Humor, die einen erreichen.“
Barbara Behrendt, Inforadio RBB Kultur, 19.09.2020

„(…) Ein Körper ist eben nie nur ein Körper, am wenigsten ein weiblicher, weshalb der eigentliche Hauptparcours von „Hexploitation“ darin besteht, sich durch das Geflecht männlich dominierter Fremderzählungen, Mythen und Manipulationen vorzuarbeiten, die den weiblichen Körper erst kategorisierbar und verfügbar halten. Der hartnäckigen Diagnose von emotionaler Gereiztheit im Klimakterium etwa, die Mieke Matzke im Dozententon vorträgt, setzen die Performerinnen einfach den radikal emotionslosen, kalten Blick auf ihre genitale Anatomie entgegen. (…)„Hexploitation“ (…) überrascht durch seine gänzlich schamfreie Radikalität.“
Doris Meierhenrich, Berliner Zeitung, 21.09.20

„(…) Konsequenterweise wird fast durchweg im offenen Morgenmantel oder gleich unbekleidet gespielt. Was keine ästhetischen Konventionen sprengt, sondern darauf verweist, dass nicht zuletzt im Kulturbetrieb für Frauen jenseits der 50 Raum und Rollen schwinden. Die Menopause als Löschtaste. Da geht es um die nackte Existenz. She She Pop zelebrieren den Ausbruchsversuch aus dieser jahrhundertealten Erzählung vom vermeintlichen weiblichen Verblühen im coolen Filmstudio- Setting. Der Videokünstler Benjamin Krieg schafft hier eine bemerkenswerte Bildebene als eigene Erzählung: Mit Close-Ups von Vulven, die auch mal als Bilderkarussell das gesamte Theater einnehmen, mit ineinander gemorphten Gesichtern der Beteiligten und anderen smarten Überblendungen (…).“
Patrick Wildermann, Tagesspiegel, 21.09.20

„(…) Der Abend ist eine brodelnde Mischung aus Hexensabbat und Ausbeutungsdiskurs, der zwar, wie bei She She Pop üblich, seinen Ausgang im radikalen Exhibitionismus der jeweiligen Gruppenmitglieder nimmt, jedoch nahezu unmittelbar in eine umfassende, Jahrzehnte umspannende Strukturanalyse überkocht. Im Hexenkessel sitzen: die pathologisierte Frau um die fünfzig; die medizinische Forschung, die ihre Medikamente grundsätzlich am Organismus des Mannes orientiert; eine ziemliche Armada misogyner Dichter und Denker (Rainer Maria Rilke „Die Welke“) und viele Schlechtigkeiten mehr, kombiniert mit schonungslosen Nahaufnahmen von Körperfalten, Hängetitten und schütter werdendem Haar der Gruppenmitglieder. Wer hier Authentizität kreischt, muss auch Brechung rufen, denn der so viel gescholtene Authentizitätsbegriff wird, wie eigentlich immer bei She She Pop, in diesem lectureperformativen Gesamtkunstwerk aus Text, Musik (Santiago Blaum), Video (Benjamin Krieg) und schrägen Kostümen (Lea Søvsø) gekonnt unterlaufen (…).“
Dorte Lena Eilers, Theater der Zeit, 1/2021

„(…) She She Pop erklären den Patriarchen dieser Welt den Krieg und stimmen danach Lana Del Reys Hymne «Young and Beautiful» an, in der «jung» und «hübsch» gerade keine Voraussetzungen für ein würdevolles Leben sind. Spätestens jetzt ist klar, dass hier eine Gruppe am Werk war, die von weiblichen Problemen etwas versteht, ohne in plumpen Aktivismus zu verfallen. Denn dieser Abend moralisiert nicht, sondern betrachtet sein Sujet kulturhistorisch, popkulturell, lebensnah und stößt mit der offenen Zurschaustellung von Körpern und Selbstzweifeln einen Selbstheilungsprozess an, von dem viele Theaterschaffende mit ihrem Fashionfeminismus nur träumen können.“
Anna Fastabend, Theater heute, Oktober 2020

„Keine Chance, dass diese fidele, entspannt wirkende Truppe sich aufs Altenteil zurückzieht und von der Erinnerung lebt – diese Zitronen haben noch viel Saft, könnte man mit Lotti Huber sagen. Rund 75 Minuten lang trumpfen die She Shes auf, nehmen sich dabei auch selbst auf den Arm und keine Rücksicht auf die Älteren im Publikum, heben manchmal, aber nur manchmal ein bisschen den Zeigefinger. „Hexploitation“ ist eine Materialsammlung wie auch eine bunte, unterhaltsame Kampferklärung ans Patriarchat. Die ist leider immer noch bitter notwendig.“
Sylvia Staude, Frankfurter Rundschau, 15.07.2021