Mauern

Das Foto zeigt eine Performerin in einem roten Kostüm auf einem Bürostuhl vor einem Tisch mitten in einem Bücherhaufen im Vordergrund. Im Hintergrund sind zwei weitere Performerinnen zusehen, wie sie mit Taschenlampen den Bühnenraum erkunden.
Foto: Dorothea Tuch / Projizierte Fotografie: © Robert Polidori
Foto: Dorothea Tuch / Projizierte Fotografie: © Andreas Rost, Courtesy Collection Regard, Berlin
Foto: Dorothea Tuch
Foto: Dorothea Tuch / Projizierte Fotografie: © Robert Polidori
Foto: Dorothea Tuch / Projizierte Fotografie: © Wenke Seemann (Detlef Seemann)
Foto: Dorothea Tuch / Projizierte Fotografie: © Wenke Seemann (Detlef Seemann)
Foto: Dorothea Tuch / Projizierte Fotografie: © Arwed Messmer
Foto: Dorothea Tuch / Projizierte Fotografie: © Andreas Rost, Courtesy Collection Regard, Berlin

Vor zehn Jahren saßen She She Pop in Schubladen Altersgenossinnen aus der ehemaligen DDR gegenüber. Sie verhandelten die systemischen Bedingungen, die ihre sogenannten Identitäten hervorgebracht hatten: zwei starke Ideologien, zwei gegensätzliche Lehren, die in sich selbst stimmig waren. Unsere Selbstbilder allerdings, haben die letzten 10 Jahre gar nicht überlebt und die großen Erzählungen unserer Herkunft waren vorher schon kaputt. Lässt sich aus dem Ballast der Vergangenheit, den gescheiterten Utopien der Elterngeneration und den Kränkungen und Ungerechtigkeiten der letzten 30 Jahre überhaupt noch eine gemeinsame Zukunft bauen?

Vor dem Hintergrund einer Gegenwart, die von Abschottung und Zerstörung geprägt ist, öffnen She She Pop die Bühne für eine kollektive Suche nach Zukunftsvisionen und was diesen im Weg steht. Als gedankliche Fortsetzung von Schubladen haben She She Pop auch für Mauern verschiedene Gäste eingeladen, die mit ihnen die Bühne teilen oder virtuell zugeschaltet sind, Gemeinsam gehen sie auf Zeitreisen zwischen Momenten der Vergangenheit und möglichen Zukünften. Dabei versuchen sie sich in Gemeinschaftsbildung über verschiedene Grenzen hinweg: Sprach-, Körper- und Solidaritäts-Grenzen, Grenzen der Vorstellung und auch knallharte Visum-Grenzen. Die Bühne – bei Schubladen noch eine unkomfortable deutsche Begegnungsstätte – hat sich in einen neoliberalen Co-Working Space gewandelt, eine dunkle Gummizelle, die als Think Tank benutzt wird. Die Reise führt entlang von Mauern, welche die Wahrnehmung und emotionale Prägung der gemeinsamen Realität durchziehen. Ausgehend von einem Trümmerberg aus dokumentarischem Material wird die Bühne mit Hilfe zukunftsbeschwörender Kameratechnik zur Zeitkapsel, in der die Frauen an unbewohnbar gewordene Orte oder an entleerte Szenarien reisen, um über andere Gegenwarten und Zukünfte zu spekulieren oder diese zu bewohnen. Dabei erscheint Fantasie oder die Möglichkeit der Fiktion als kostbares Gut. Eine schwer zu erreichende Dimension, welche nur gemeinsam und unter besonderem Aufwand von Zweifel, Furcht, Zumutung, Humor und Hellsicht überhaupt erst errungen werden kann.

Credits

Idee und Konzept: She She Pop, Von und mit (gespielt wird in wechselnder Besetzung): Sebastian Bark, Natasha Borenko, Johanna Freiburg, Annett Gröschner, Jahye Khoo,  Alexandra Lachmann, Katharina Lorenz, Lisa Lucassen, Peggy Mädler, Mieke Matzke, Ilia Papatheodorou, Wenke Seemann, Berit Stumpf.

Dramaturgie: She She Pop, Annett Gröschner, Peggy Mädler, Künstlerische Mitarbeit: Rodrigo Zorzanelli Cavalcanti, Director of Photography Video Installation: Benjamin Krieg, Video Mitarbeit: Rocío Rodriguez, Bühne: Sandra Fox, Kostüm: Lea Søvsø, Kostüm Mitarbeit: Lili Hillerich, Musik: Max Knoth mit Maria Schneider, Ton: Xavier Perrone, Technische Leitung und Licht: Sven Nichterlein, Produktionsleitung: Chiara Galesi, Praktikum: María Giacaman, Ruth Lindner,Workshop Input: Lavinia Knop-Walling, Proben Dolmetschung (Deutsch/Koreanisch): Eunsoon Jung, Englische Live Übersetzung: PANTHEA / Anna Johannsen, Audiodeskription: Pingpong Translation & Subtitling / Martina Reuter, Johanna Krins, PR, Kommunikation: ehrliche arbeit – freies Kulturbüro, Freie Mitarbeit Kommunikation: Tina Ebert, Finanzadministration: Aminata Oelßner, Company Management: Elke Weber.

Ein besonderer Dank gilt den Fotograf*innen und Archivar*innen, die Fotomaterial aus ihren künstlerischen Werken zur Verfügung stellen:

Arwed Messmer, mit Werken aus der Serie Anonyme Mitte, Anonymous heart, Berlin“ , Nürnberg 2010, sowie „Inventarisierung der Macht. Die Berliner Mauer aus anderer Sicht“. Von Annett Gröschner und Arwed Messmer, Berlin 2016;
Robert Polidori, mit Werken aus der Serie Zones of Exclusion PRIPRYAT AND CHERNOBYL;
Andreas Rost, Courtesy Collection Regard, Berlin, mit Werken aus den Serien Das Jahr 1990 freilegen“ , „Wahlgang“, „Mauern Ramallah“ und „Der unbekannte Oscar Niemeyer in Algiers“;
Wenke Seemann, mit Werken aus den Serien „and the moon is a blind eye“ und „ARCHIVDIALOGE #1 – Bauplan Zukunft;
Benjamin Krieg mit Werken aus seinem Archiv.

Credits:
Eine Produktion von She She Pop in Koproduktion mit HAU Hebbel am Ufer Berlin, Kampnagel Hamburg, Künstler*innenhaus Mousonturm, FFT Düsseldorf, Schauspiel Leipzig, HELLERAU – Europäisches Zentrum der Künste. Mit Unterstützung: Theaterhaus Berlin Mitte.
Gefördert durch die Berliner Senatsverwaltung für Kultur und Europa, den Hauptstadtkulturfonds und die Rudolf Augstein Stiftung

Trailer

Termine


Vergangene Termine:
25., 26., 27. Januar 2024, Mousonturm, Frankfurt am Main
18., 19., 20. Januar 2024, Kampnagel, Hamburg
21. Juni 2023, Schauspiel Graz, Graz
20., 21. Mai 2023, Schauspiel Leipzig, Leipzig
25., 26., 27. Januar 2023, HAU Hebbel am Ufer HAU 1, Berlin
08., 10., 11., 12., 13. Dezember 2022, HAU Hebbel am Ufer HAU 1, Berlin
07. Dezember 2022, HAU Hebbel am Ufer HAU 1, Berlin

Pressestimmen

„Ausgehend von den Dingen erforscht She She Pop bald mittels einer ziemlich eindrucksvollen Projektion von Fotografien auf mehrere Schichten Gaze einen utopischen Raum. Die Performenden kriechen durch eine Art Tunnel, landen mal in einem zerstörten Haus nach der Tschernobyl-Katastrophe, dann wieder stehen sie vor einem Häuserblock im ehemaligen Ostberlin – heute Berlin-Mitte (…) Nebenbei versuchen die Performerinnen den Dialog über die vielen offenen Fragen rund um Eigentum oder Teilhabe mit immer neuen Regeln weiterzutreiben. Erst atmen, dann sprechen. Oder berühren. Die Regeln müssen immer wieder neu ausgehandelt werden, die Utopie will sich partout nicht greifen lassen, und so wandelt sich das Bild zu einer immer unübersichtlicheren Collage der Zukunft.“

Hamburger Abendblatt, Annette Stiekele, 19.01.24

 

„Aus den Schubladen sind Mauern geworden, was nicht gerade optimistisch klingt, aber auch keine Trübsal verbreitet. (…) Das Schöne an She She Pops erzählerischem Experimentiertheater aber ist ja, dass ideologische Zuspitzungen immer nur als Initiation für deren Auflösung dienen. Und an diesem Abend schaffen sie diese Auflösung mit nur wenigen, wunderbar spielerischen Kunstgriffen. Immer, wenn der Dialog in eine Sackgasse gerät, geben sie sich neue Sprechregeln(…). Und langsam rutscht ihre Reflexion über sich selbst in eine traumhafte Zeitreise, hinein in jene Wendezeit, als alles noch möglich schien. Ein Gazevorhang fällt und eine Wand aus dichtem Gestrüpp erscheint darauf projiziert. Der ehemalige Mauerstreifen ist zur sozialen Mauer geworden. Doch langsam zoomt die Kamera immer näher ins Grün, bis sich ein schwarzes Loch auftut, durch das die Performerinnen einfach hindurch auf die Hinterbühne schlüpfen, in eine andere Raumzeit. Die Bühne wird zum magisch schwebenden Ort zwischen gestern und heute, zwischen Betonplatte und Mahagoni-Interieur – und die Performer klettern darin herum, wie in ihren kühnsten Utopien. Plötzlich wird hier doch auch anderes möglich, auch der Zusammenschluss mit zwei weiteren Kolleginnen aus Seoul und Sibirien per Video. Und eine Performance lang die Welt ein besserer Ort.“
Doris Meierhenrich, Berliner Zeitung, 08.12.2022

„Nach zehn Jahren haben She She Pop am Berliner HAU noch einmal die Schubladen geöffnet, in denen sie autobiografisch den Ost-West-Dialog suchten. Unter den Büchern von einst, die sie aufteilen in das, was weg kann und das, was bleiben soll, finden sie auch alte Utopien. Welche gehen uns heute noch etwas an, mitten in einem Krieg und einer immer sichtbarer werdenden Klimakatastrophe, nach all den identitätspolitischen Debatten und einem gewachsenen Bewusstsein dafür, dass unsere weiße mitteleuropäische Wohlstandsperspektive vielleicht selbst mehr Problem als Lösung ist?“
Georg Kasch, Nachtkritik, 08.12.2022

„Zukunftsvisionen der Vergangenheit. Überhaupt dreht es sich hier viel um Zukunft, Visionen, um Utopien. (…) Die Protagonisten also unternehmen eine Zeitreise und die führt gleichermaßen in die Vergangenheit wie in die Zukunft. Es ist eine Reise auf der die Frauen immer wieder die Ebenen wechseln. Die Zeit- und die Wahrnehmungsebenen. Und immer wieder stoßen sie dabei auf Trennendes, auf Mauern.“
Antje Bonhage, rbb-online, 07.12.2022