The Ocean is Closed
Das Spiel – sagt Huizinga – ist eine freie Handlung, die innerhalb gewisser festgesetzter Grenzen in Zeit und Raum nach freiwillig angenommen, aber unbedingt bindenden Regeln verrichtet wird. Es hat sein Ziel in sich selber und wird begleitet von einem Gefühl der Spannung und Freude. Es ruft Gemeinschaftsverbände ins Leben, die ihrerseits sich gern mit einem Geheimnis umgeben oder sich durch Verkleidung von der alltäglichen Welt abheben.
In „The Ocean is Closed“ beobachten das Musikensemble zeitkratzer und das Performancekollektiv She She Pop einander über die eigenen Gattungsgrenzen hinweg. Sie werfen einen faszinierten Blick auf die exotischen Kollegen: Fremde Augen und Ohren interessieren sich für andere Dinge, stellen die richtigen falschen Fragen, missverstehen die Absprachen und übertreten grundlegende Gesetze.
She She Pop und zeitkratzer spielen Konzert: Geheimnis, Ordnung und Ozean. Sie feiern die Musik und das Spiel an sich.
Credits
von und mit: Sebastian Bark, Lisa Lucassen, Ilia Papatheodorou von She She Pop, sowie Biliana Voutchkova (Violine), Nora Krahl (Violoncello), Elena Kakaliagou (Horn), Hilary Jeffery (Posaune), Reinhold Friedl (Klavier), Maurice de Martin (Perkussion) von zeitkratzer.
Konzept: Sebastian Bark, Reinhold Friedl, Lisa Lucassen, Ausstattung: Lena Mody, Ton: Robert Nacken, Licht: Andreas Harder, Dramaturgie: Arved Schultze, Produktionsleitung: Michal Libera. Künstlerische Mitarbeit: Fanni Halmburger.
Eine Produktion von She She Pop und zeitkratzer in Ko-Produktion mit HAU Hebbel am Ufer, Münchner Kammerspiele, Festival Romaeuropa.
Premiere, Oktober 2017, HAU, Berlin
Gefördert von der Kulturstiftung des Bundes.
www.kulturstiftung-des-bundes.de
Termine
Vergangene Termine:
Pressestimmen
Kritik zur Premiere in Berlin „Männerpose versus Frauenpower, Disziplin versus Freigeist, Virtuosität versus scheinbarer Dilettantismus. She She Pop umspielen in der Kommentarspur vertraute Koordinaten ihres Kunstschaffens. Mit allem Willen zur Selbstbeschämung und zum schelmischen Konter. Da triumphiert Schlagzeuger Maurice de Martin eben noch mit einem aberwitzig rasanten Drum-Solo, nur um sogleich auf ein seltsames Kugelmonster und seine Schwestern zu stoßen, die das „männliche Genie“ garstig verlachen. (…) Es gibt unendlich starke Szenen wie die Fürbitten zur Einstimmung auf eine Philip Glass-Adaption. (…) Bis kurz vorm Finale Sebastian Bark nach der Posaune greift und in einer kleinen Miniatur vom Großen und Ganzen dieses Abends und dieser Theaterkunst kündet: Da wagt es einer, der ehrbare Dilettant, steht leicht gebeugt, aber nicht kümmerlich, lässt sich noch instruieren von den Könnern und bringt dann herzzerreißend schräge Töne hervor, die eigentlich ganz gut ins disharmonische Klanggefüge des übrigen Stücks passen. Und einen unvergesslichen Satz hat er auch noch, ehe er bläst: „Ich will nicht üben. Ich will spielen.“
Christian Rakow, Nachtkritik, 27.10.17
„(Es) entspinnt sich ein gut zweistündiger Dialog, der auf allen verfügbaren Ebenen geführt wird: Sprache und Musik, Argument und diktatorische Bestimmung, körperliche Dominanz und stilles Beharren. Das Spiel wird zum Möglichkeitsraum: Halbsätze, die mit „Wenn…“ beginnen und kein „Dann… finden, bilden das textliche Fundament. dabei geht es um Möglichkeiten der Kunsterzeugung, Transparenz gegenüber dem Publikum, Scheitern und Anerkennung, um Befindlichkeiten einzelner Instrumentalistengruppen, aber auch um Machtgefüge. (…) Die Spannung zwischen Spieler und Ensemble ist spür-, die Reibung hörbar. (…)Und dann ist da die Sehnsucht der Gleichwertigkeit, die auch mal in die nach der Ablösung des Anderen umschlägt. (…) Eine kollektive, sich langsam zusammenfügende Geschichte der Anfänge, Abbrüche, Neustarts, die auch den Abend auszeichnet, der immer wieder ansetzt, sich unterbricht, aufs Neue loslegt.Ein Experiment im zweckfreien Spiel, das sich nur langsam von dem Mechanismen der Anerkennung, des Gefallenwollens, des Leistungszwangs und Unterhaltungsdrucks befreit und darüber denn doch so etwas wie Gemeinschaftlichkeit wenn nicht findet, so doch zumindest andeutet. Da sitzen sie am Ende, nach dem sie sich zwei Stunden lang umspielt, belauert, um die Macht des Mikrofons duelliert haben, einträchtig zusammen – als ein Ensemble und erzeugen Klänge. Ozeanische, ein wellenartiges Rauschen, Der Klang einer in sich ruhenden Welt. Pures Spiel.
Sascha Krieger, stagescreen.wordpress.com, 31.10.2017
(…) Laut und lustvoll. Kathrin Pauly, Berliner Morgenpost, 30.10.2017 Der Clash der Kulturen zwischen She She Pop und Zeitkratzer ist deshalb so unterhaltsam, weil er von beiden Seiten dialektisch ausgebreitet wird. (…) She She Pop und Zeitkratzer wechseln zwar die Perspektiven, man muss, wer hätte das bei den Performer*innen gedacht, von Einfühlung sprechen. Aber als die Musiker*innen «Music in Fifths» von Philip Glass spielen, einen rhythmischen Drill sondergleichen, erscheinen die She Shes in Bastkostümen, die größmögliche Distanz zum europäischen Geniekult anzeigen. Wie um diese Ferne zum Kunsthandwerk im Werk der Performancegruppe zu beweisen, gelingt es den Musiker*innen von Zeitkratzer mühelos, den typischen She-She-Pop-Ton anzunehmen: kühl, leise, eher ernst, aber auch selbstironisch.
Tobi Müller, Theater heute, 12/2017